Weil wir diese Drogen auch gerne kennen würden...


 Regina Ullmann - Der Verführer

(den Versuch einer Antwort auf dieses Gedicht findest du hier)

 Ja, Kindheit, Liebe,
Alles war begonnen und bereit.
Ein schlichtes Werk, ein Alltagsleben,
etwas gebückt von seiner eignen Ehrfurcht
und unbeholfen.
Überall zurück um viele Jahre
hinter allen.
Dem Leid bereit,
so wie ein Pferd,
bei Nacht aus seinem Stall gezogen,
in Trab kommt von der Peitsche.
O Gott, triebest du es in einen Sumpf
und gingest heil ans Land,
du trügest keine Schuld.
Das Tier ertränke.
Du weißt mit ihnen allen,
sie fragen nicht: warum.

Doch nimmst du eine Seele
aus dem Leibe
und hängst sie außen
an den Baum,
hellichten Tages,
wirfst sie bei Nacht
vor seine Füße,
daß der Mensch selber,
wie betrunken drüber fällt:
vielleicht wars eine Blume,
sie ist hin.
Und wars ein Schmetterling,
er ist zertreten.
Deine schönste Pracht verdorben, o Gott.

Du Allmächtiger.
Ist dir nicht leid um deine Kreaturen?
Bist du nicht tausendmal darin?
Und drückst du eine Kinderhand zu Tode,
daß nichts entfliehe?
Sag ist das dein Sinn?
Nein, das ist er nicht.
Denn der Verlorene
darf sich neu erheben
mit seiner Schande.
Es stirbt sich ohne dich
so leicht nicht.
Einen Tod kann er nicht nehmen.
Dein Wille ist darin, dein Segen.
Sterben ist Lieben.
Und fern von deinem Reiche steht der Mensch
und weiß doch: Lieben ist so leicht.
So wie dem Winter schneien
und dem Frühling blühen.
Und einem Vogel sein „im Fluge sein“.
Lieben ist so leicht
wie Spuren von dem Wilde.
Nichts hat sie getan.
Sie sind vom Gehen.
Sie bedeuten einem Kinde Lächeln,
einem Jäger vermehrte Eile.
Einem Wilden seinen Bogen,
einem Läufer seine Füße.
Und der Entbehrende geht durch die Not
an uns vorbei,
so wie in ferne Lande,
und kehrt nie zurück.
Indes du läßt ihn ziehn,
ungehindert,
und verfolgst den Einen.
O, du Allbereiter:
hast du dir einen bösen Engel großgezogen
in ihm so gib ihm Pfeile,
daß er mit dir ziele
den fernsten Punkt,
den Horizont von Ewigkeiten her:
ein Kind.